aus: Artikel 2, TAGESSPIEGEL, 23.04.2005
Spielplatz des Grauens
Susanne Weirichs Video-Installation in der Galerie Müllerdechiara
von Peter Herbstreuth
Das Medium Film ist in den Rang eines internationalen Kanons gerückt
und zu einer zentralen Referenz der bildenden Kunst geworden. Mittlerweile
gibt es eine Fülle von Werken, die sich auf Ridley Scotts „Blade
Runner“, David Lynchs „Mulholland Drive“ und vor
allem auf den ersten Teil von „Matrix“ der Gebrüder
Wachowsky beziehen. Man kennt diese Filme von Mexiko bis Tokio –
ein Umstand, der sich weder von neueren Werken der schönen Literatur,
geschweige denn von den Klassikern der lokalen Kulturen feststellen
lässt. Wer sich auf Filme bezieht, kann sogar damit rechnen,
dass die Anspielungen unbewusst wirken. Sie beziehen sich auf universale
Hollywood-Codes.
Das gilt auch für die Video-Installation der 1962 geborenen
Berliner Künstlerin Susanne Weirich. In „Silent Playground“
(15000 Euro) erzählt sie drei dramatische Geschichten mit jeweils
zwei möglichen Ausgängen. Eine Frau, gespielt von der
Schauspielerin Inga Busch, wird von der Handkamera verfolgt und
wittert ringsum Feinde: eine formal geschlossene Paranoia. Die Frau
öffnet eine Tür, packt DVDs und Computerspiele aus, schiebt
eines davon in den Player und sieht, wie eine Frau die Tür
öffnet, DVDs auspackt und eine davon in den Player schiebt.
Sie sieht sich zeitversetzt zu, gerät in den Strudel der Selbstbespiegelung,
spürt den Blick von tausend Stalkern und rennt von Tür
zu Tür. Dabei spielt ein Zufallsgenerator Schicksal. Mal springt
die Frau in Kampfstellung, mal flüchtet sie. Da alle Filme
mit versetzten Anfängen laufen, mixt man beim Herumgehen bald
die sechs Schlusssequenzen durcheinander. Letztlich bleibt das Bild
einer alarmierten Frau mit Acid-Augen und stark geschminktem Gesicht.
Weirich konfrontiert den Zuschauer mit der Unlogik eines gleichzeitigen
Entweder-Oder und Sowohl-als-Auch. Die Wirrnis spiegelt sich in
labyrinthischen Gängen und wird durch die Nahperspektive der
Handkamera verstärkt. Alles ist in Bewegung. In allen Zimmern
sieht die Frau unerklärliche Zeichen von Bedrohung. Weirich
zeigt das ganz undialektische Unglück einer verfolgten Jägerin
als Matrix der Installation. Neues Spiel, neues Unglück. Deshalb
sind die Filme kurz und auf Wiederholung eingestellt: Intensität
in der Endlosschleife.
Falls es so etwas wie globale Kunst geben sollte, hat Weirich
ein Medium dafür gefunden. Um aber Erfolg zu haben, braucht
ein Film Kitsch oder Sexyness. Da diese lokal kodiert und subjektiv
sind, wären sie der Lackmustest dafür, ob alle Sinne von
Mexiko bis Tokio synchron gestellt werden können. Weirichs
Werk ist für dieses zweifelhafte Ideal ein Symptom. Es zeigt
die karnevaleske Paranoia im telematischen Raum. Leider sind die
Bildschirme in verschiedene Räumen verteilt. Die Galerie erlaubt
keine volle Dröhnung aller Parallelgeschichten. Der Overkill
mit Short-Cuts im Gabba-Rhythmus steht noch aus.
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