aus: DB-Mobil
12/2003 S.72-74
Spirituelle Tankstellen. Die Schau Lautloses
Irren im Postbahnhof am Berliner Ostbahnhof wirft die Frage
auf: Was prägt inzwischen unseren Blick auf die Welt?
von Kristina v. Klot
(...) Der zweite Teil der Schau ist dem Thema Desorientierung gewidmet.
Susanne Weirich untersucht mit ihrer Arbeit Taking Notes
das Thema in Bezug auf die Frage nach dem Zusammenspiel von Bild und
Text. Auf verschiedene Wände werden im Wechsel Fotos projiziert,
auf denen Menschen mit Notizzetteln hantieren. Mal betrachtet man
sie beim Aufschreiben, mal sieht man nur ihre Hand auf einem Schreibtisch,
die das Papierstück zum Lesen festhält. Auf den Zetteln
leuchten abwechselnd verschiedene Notizen auf. Und mit Erstaunen registriert
der Betrachter, dass gekritzelte Aufforderungen wie Komme heute
nicht zu mir unterschiedliche Assoziationen auslösen, je
nachdem, ob sie zwischen den Akten einer Anwaltskanzlei, am Küchentisch
oder im Hotelzimmer eingeblendet werden.
Es war die schicksalhafte Rolle eines kleinen Notizzettels in einem
Spielfilm von Pedro Aldomovar, der erst absichtsvoll liegen gelassen,
später übersehen und schließlich wieder aus dem Müll
gezogen wird, die Weirich dazu inspiriert hat, sich diesem Vehikel
von Kommunikation zu widmen. Das konkurrierende Verhältnis zwischen
dem Gesehenen und Geschriebenen betrachtet sie nach wie vor als ein
ungelöstes Problem: Was führt dazu, dass man mehr
auf das eine oder das andere achtet? Und wann überschreibt ein
Text ein Bild? (...).
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