aus: Berliner Zeitung, 06.04.2005


Spiel mit der Angst
Susanne Weirichs Hotelballaden in der Galerie Müller Dechiara

von Ingeborg Ruthe


Was bloß macht dieses bekannte Bühnengesicht vor der Hotelzimmertür 720? Wieso trägt Inga Busch diese grässliche Perücke. Warum sind ihre Augen so aufgerissen?

Auf dem langen Gang der siebenten Etage im Grand Hyatt am Potsdamer Platz gibt es keine Antwort. Überhaupt bekommt der Betrachter dieser merkwürdigen Filmsequenzen, die Susanne Weirich, Videokünstlerin in Berlin und Professorin an der Kunstakademie Hamburg, in der Galerie Müller Dechiara als "Silent Playground" installiert hat, keine Aufklärung. Die Schaubühnen-und Filmschauspielerin Inga Busch, die Weirich für ihren Dreh gewinnen konnte, spielt mit sich alleine und redet kein Sterbenswörtchen. Sie heißt in den Filmen Heather, trägt mal eine sturzelige rote, mal blonde Perücke, dazu einen lippenstiftverschmierten Mund und zu Anfang der Sequenzen Mantel und Shoppingtüten. Jeweils hat sie unterm Mantel etwas Rotes, Knappes am Leib, dazu hochhackige Stiefeletten. Die nehmen sich sehr komisch aus beim angstirren Rennen über die Hotelflure oder beim panischen Liegestütze-Absolvieren auf dem Parkett.

Manisch gerät die Suche der einsamen Frau, die in diesen Filmen nie Subjekt, immer Objekt einer rätselhaften Manipulation zu sein scheint, bei ihren gehetzten Blicken in die Hotelschränke, beim entsetzten Lesen einer ominösen Message auf dem Laptopschirm, beim Suchen unterm Bett nach einem Aktenkoffer. In dem befindet sich eine Pistole, die Gott sei dank schusslos bleibt. Doch musste die Waffe unter der Schlafstatt hervor, nachdem die Frau, Sekunden nach ihrem Eintritt ins Zimmer, bemerkt hat, dass ihr zuvor penibel glattes, schneeweiß bezogenes Bett auf unerklärliche Weise benutzt worden war. Ist also außer der panischen Akteurin und dem fast schon angesteckten Betrachter doch noch ein drittes Wesen im Spiel?

Die ganze Phobie besteht aus sechs Filmschleifen, von denen hat eine jede ein jeweils anderes Ende: eins, das die ominöse Angst noch vergrößert, weil der Spuk im Raum bleibt, und eines, wo Hotelinsassin und Betrachter schließlich erleichtert auf dem leeren, hellen Hotelflur stehen. Es ist ganz wie in einem Spiel oder einem Märchen, das neben der bösen auch eine gute Seite hat. Beklemmend ist die ganze Inszenierung durchweg - und zwar, weil eigentlich gar nichts passiert. Allein die Paranoia der einsamen Gehetzten und Getriebenen wird vorgeführt, etwa, wenn sie eine soeben gekaufte DVD in den Player schiebt und auf dem Monitor plötzlich sich selber sieht, beim Eintreten in die Suite, beim Auspacken der Scheibe. Deutlich sind die Anspielungen auf Filme wie Matrix, Lost Highway oder Blade Runner, dies alles aber in einer gewissen PlayStation-Ästhetik. Die sechs Filme auf Galerieleinwänden machen den Kunstort zum Spielparcours, die auffällig an einschlägige Survival-Computerspiele denken lassen. Auch hier geht es um Reales und Fiktives, um Horror und Lächerlichkeit, um Alltag und Parallelwelten. Schließlich wird man als Betrachter selbst Teil dieses seltsamen Spiels. Offensichtlich hat Susanne Weirich nichts anderes gewollt.