Newsletter des KUNSTNETZNRW.DE, 12/08

Neuer Katalog

Unter dem Titel „searchviews“ ist jetzt im Kehrer-Verlag ein umfangreicher Katalog zu den Arbeiten von Susanne Weirich erschienen. Die großformatige Publikation gibt einen guten Einblick in das Gesamtwerk der Medien- und Installationskünstlerin, die in ihren Arbeiten immer wieder die Konstruktionsprinzipien von Wirklichkeiten hinterfragt. Weirich ist dabei eine besonders genau auf die Strukturpinzipien schauende Künstlerin, die mit trennscharfen und klug ausgedachten Arbeiten die Wirklichkeit dekonstruiert und im Kunstwerk diese fragmentierten Teilbereiche wieder zu neuen Einheiten ineinander baut.  Aus einem „Computerspiel“ und seinen Strukturmerkmalen werden „sechs Realfilme“. Das Prinzip der „Prophezeiung“ wird in der Glücksmaschine zu einer überdimensionalen Projektionsmaschinerie, die Motive der Tarotkarten wie einen Gottesstrahl in dunkle Räume leuchten läßt. Die barocke „Landkarte der Gefühle“ aus  dem absolutistischen Frankreich wird in „Elle ne perd pas le nord“ ein Ankerplatz von projizierten Sätzen aus Licht, die das „Konstruierte“ von Weltsichten und ihre per Konvention zur Wirklichkeit gemachten Ordnungen gleichzeitig verdinglicht und im selben Moment und Vorgang hinterfragt und auflöst. 

Wer als Betrachter in solchen Arbeiten, aber auch in anderen wie „Taking Notes“, wo Post-It Zettel zu Scharniermomenten gewichtiger Schicksalswenden werden können, immer auch das System der „Versuchsanordnung“ erkennen mag, liegt so schlecht sicher nicht. Wie  die Teilchenphysiker  durch geschickt ausgedachte Anordnungen die Regeln der Teilchenbeziehungen indirekt sichtbar machen, verdeutlicht sich in den Kunstwerken von Susanne Weirich eine Grammatik der Konstruktionen von Wirklichkeiten. Nicht unähnlich den Regeln eines Spieles, für alle verbindlich und doch je nach Geschicklichkeit unterschiedlich einsetzbar und spielbar. Die Züge gehorchen dem bekannten Paradox, gleichzeitig frei und gebunden zu sein, vorhersagbar nur im Allgemeinen und nie im Ende und Ausgang für den speziellen Fall. Weirichs Arbeiten lenken die Aufmerksamkeit mit mehrheitlich auch ästhetisch sehr schön anzusehenden Arbeiten auf solche „Schaltpunkte“ an denen die „Verzweigungen“ eintreten können, aber nicht immer und unbedingt müssen. Es gelingt ihr, das „Spröde“, das „Grammatikalische“ mit „Leben“ zu füllen und doch wird jeder Betrachter auch gleichzeitig – vielleicht sogar mit einer gewissen Beklemmung –  das Substantielle, das objektiv Sichtbare aus solchen Arbeiten mental zurückaddieren und dann in vielem auch das Entscheidungsbestimmende und Verbindliche von Strukturen und ihren strengen Vorgaben mit dem Gefühl zurückerspüren. Vielleicht ist das sogar eines der wesentlichen Stilmerkmale, das alle Arbeiten in diesem Katalog auf den Nenner bringt: es gelingt Weirich das Abstrakte ins Sichtbare, Spürbare und Generative zu transferieren ohne jedoch seine dominante, steuernde, manchmal gar dämonisch anmutende Seite wegzublenden.  

Herausgeber: Ernest W. Uthemann / Autoren: Doris Kolesch, Doris von Drathen, Ernest W. Uthemann, Georg Stanitzek, Karin Bruns, Knut Ebeling. Der Katalog ist im Kehrer Verlag Heidelberg erschienen und kann im Buchhandel bezogen werden.

Klappenbroschur, 23,5 x 29,5 cm, 112 Seiten, 77 Farbabb. + Audio-CD, ISBN 978-3-86828-012-8, Preis: 19,80 Euro.

Heinz Kock