aus : Argus, 19.07.1999
Geschichtenerzählerin
Retrospektive Susanne Weirich in Zürich
von Torbjörn Bergflödt
Sie bringt Gegenstände, Bilder, gesprochene oder gesprochene
Texte und anderes zusammen und erzählt mit diesen "Samplings"
Geschichten: von Susanne Weirich werden im Züricher Kunsthaus
vier Werke der Jahre 1993 bis 1998 ausgestellt. Zu sehen und zu hören
sind eine Video-, eine Wandinstallation und eine weitere Arbeit im
Graphischen Kabinett sowie eine Toninstallation in den Waschräumen
der Toiletten im Untergeschoß. Die Künstlerin, die 1962
in Unna geboren ist und heute in Berlin lebt, hofft, die Exponate
dieser kleinen Retrospektive möchten thematische Verbindungen
eingehen und sich wechselseitig kommentieren.
"Ich habe die Apokalypse verpaßt (Ein Lippenbekenntnis
und 100 Erklärungen)" ist eine Installation aus zehn Videomonitoren
im Halbrund. Zu sehen ist zehnmal das Gesicht der Künstlerin,
die bald die Lippen bewegt, bald bei geschlossenem Mund in die Kamera
schaut, derweil je zehn einminütige Statements von zehn Berufsleuten
(fünf Frauen, fünf Männer), gesprochen von der Künstlerin,
zu hören sind. Eine gesellschaftliche Analyse. Aber auch ein
medienskeptisches Spiel. Denn hier beißen sich Dokumentarisches
und Fiktionales, Textrecherchen, Töne und Bilder.
Fürs Environment "Elle ne perd pas le nord" hat Weirich
barocke Topoi von Leidenschaften aus dem Roman "Clélie'"der
MIle de Scudéry auf Wände gemalt und wirft nun auf diese
Landkarte der zarten Gefühle--nüchterne Texte aus geographischer
und topographischer Literatur des zwanzigsten Jahrhunderts. Wieder
ergibt sich ein Aufeinanderprall zweier Ebenen, wobei die vier Projektoren,
bestückt mit je 81 Dias, manchmal auch einen roten Punkt erscheinen
lassen, wie man ihn auf der Orientierungstafel für den Waldspaziergang
antreffen mag: "Vous êtes ici."
32 eingeschweißte Sets, mit Haken an einer Lochwand befestigt,
formieren sich zum Ensemble "All-Work-No-Play", welches
man, auf den ersten Blick, in einem Kaufhaus wähnt antreffen
zu können. Aber es erweist sich sehr bald, daß die Skulptur
aus "objets trouvés", ergänzt um eine Gebrauchsanweisung,
einschlägiges, Konsumverhalten ebenso erweitert wie unterwandert.
Manchmal auf makabre Weise wie beim "Süßer-Rache-Tag
-Set", bestehend aus Schleuder, selbstklebenden Zielscheiben,
selbstklebenden Fingernägeln und Tätowierung. Ein Beispiel,
an dem freilich auch ablesbar wird, wie diese Selbsthilfe-Paketchen
Gefahr laufen, zu kippen in die Tüteligkeit eines "Witz
komm raus, du bist umzingelt". Vom Erdgeschoß aus leitet
schließlich derselbe Schriftzug wie für die Toiletten hinab
zur letzten Installation: Der Papierhandtuchspender ist hier auch
"Trostspender" mit Dialogausschnitten aus Hollywoodfilmen.
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