Sechzig Sonette

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S

Innenraumgestaltung (permanent), 20 beschriftete Prismenwender. Beleuchtet. 1997/98

(Maße je 134 x 95 x 15 cm, mit je 18 horizontalen Lamellen, konischen Alurahmen,Leuchtstoffröhren.
Drehmechanismus: alle 40 Sekunden)


Im ersten Obergeschoß einer Gesamtschule sind, einsehbar durch eine Glasfront, zwanzig Prismenwender installiert. Die Objekte sind in einem verglasten Flur über eine Verlauf von insgesamt 170 Metern Länge in fünf Vierergruppen arrangiert. Jeder Vierer-Block verweist mit seiner Beschriftung inhaltlich auf die jeweils dahinter liegenden Räume: 1.Sekretariat, 2.Lehrerzimmer, 3.Bibliothek, 4.Chemische Sammlung und 5.Technische Sammlung. Die Texte haben jeweils das Layout von einem Sonett, bestehend aus zwei Vierzeilern und zwei Dreizeilern. Inhaltlich handelt sich jedoch um Fundstücke aus unterschiedlichsten Quellen zu den durch die Räume “vorgegebenen” Themenbereichen. Jedes Zitat entspricht einer dreizeiligen oder vierzeiligen Strophe. Zu jedem Raum gibt es zwölf Sonette, die inhaltlich miteinander verknüpft sind. Das Sonett, als Idealtypus des Kunstgedichtes, galt an Schulen lange als Mittel zum Auswendiglernen von Texten. Erst später wurde es, etwa von dem französischen Schriftsteller Raymond Queneau (Cent mille milliards de poèmes, Paris 1961) für seine experimentelle Literatur „wiederentdeckt“.

Hier wird das Sonett in seiner Grundform ohne Überschrift und Zitatangabe als Modul benutzt. Einzelne Textbausteine, sowie unterschiedliche Drehfolgen, ergeben immer neue Kombinationsmöglichkeiten in den jeweiligen Blöcken. Der schnelle Drehmechanismus macht eine Erfassung des gesamten Textes beim ersten Lesen unmöglich, so daß der einzelne, sich ständig wandelnde Text stets im Kontext, in einer suggestiven Beziehung zu den Strophen des nächsten oder vorherigen Gedichtes zu verstehen ist.

1998 Berlin (Hohenschönhausen), Fritz-Reuter Oberschule Land Berlin / Auftraggeber: Architekt Max Dudler, Berlin