KUNSTRUNDGANG : Brigitte Werneburg schaut sich in den Galerien von Berlin um

In dem Moment, in dem man diesen absolut großartigen Trick erst einmal sieht, wünscht man sich auch schon, ihn zu beherrschen. Denn er beeindruckt durch eine äußerst aggressive Geste, die die Leute vor Schrecken verstummen lässt, und doch - das ist eben der Trick und das Wunder - kommt dabei niemand und nichts zu Schaden. Auch die Gläser nicht, die der Hotelfachschüler im Video "Dreigangmenü. Training" unter dem prüfenden Blick seiner Ausbilderin sorgfältig auf dem Tisch arrangiert hat. Oder das schwere Tafelsilber, das er neben dem Porzellan auflegte. Alles bleibt unverrückt stehen, trotzdem die Ausbilderin nun in der Videoinstallation "White Lies" als Kellnerin agiert und mit einem raschen Ruck das weiße Leinen vom Tisch gerissen hat. Nun sitzen drei Frauen verschiedener Generationen vor ihrem Gedeck am plötzlich nackten Restauranttisch. Gerade noch wirkte er kostbar und heimelig - jetzt nur noch unheimlich.

In ihrer zweiten Einzelausstellung bei magnus müller setzt sich Susanne Weirich mit populären Erzählstrukturen auseinander, und verschiebt dabei die Grenzen zwischen realistischen und fiktionalen Erzählformen. Deshalb kann die Chefin aus der Dokumentation, in der Weirich fünf Auszubildende beim Eindecken des Tischs beobachtet, gewissermaßen nahtlos in die 3-Kanal-Video-Installation hineinmarschieren, in das - bürgerlich gepflegt bei Tisch ausgefochtene - Familiendrama. In der offenen Parallelmontage der Filmsequenzen nehmen Nicole Heesters als Großmutter, Friederike Wagner als Mutter und Klara Manzel als Tochter immer wieder die Position ihrer Antagonistinnen ein und spielen so auch gegen sich selbst. Bar jeder banalen Psychologisierung, allein mit ihren filmisch-visuellen Mitteln lotet Weirich dennoch die psychologischen Verwerfungen ihrer Geschichte aus.

Bis 10. November, Di-Sa 12-18 Uhr, Galerie magnus müller, Weydingerstr. 10/12