Susanne Weirich: Silent Playground, 2005

Die Szene wiederholt sich, aber es ist nie dieselbe. Das gilt schon für das Leben, für das Computerspiel erst recht. In Susanne Weirichs Installation wird das Computerspiel zur Video-Performance. Während die Oberflächen, Kamerabewegungen, Menschenbilder der Bildschirmspiele sich in ihrem Realismus immer mehr den filmischen Bildern nähern, inszeniert Susanne Weirich umgekehrt filmisch ein vorstellbares Spielszenario.

Ihr Interesse galt schon früher dem Fortspinnen von Themen und Aspekten aus Literatur, Kunst, Kino und alltäglicher Konsumwelt. Auch Ordnungssysteme von Weltbildern, Archiven und Aufzeichnungstechniken, kehren in ihren Arbeiten - oft ironisch gewendet - wieder. Und ebenso beschäftigen sie regelhafte Spielanordnungen, wie in dem interaktiven Tarotspiel Die Glücksprophezeiungsmaschine (ebenfalls mit Inga Busch und mit Susanne Lothar) oder in Elle ne perd pas le nord, einem barocken Liebestopographie-Gesellschaftsspiel.

In Silent Playground bietet eine Hotelsuite das Ambiente für die Bewegungen der Schauspielerin Inga Busch. Als Spiel-Akteurin "Heather" rennt sie durch Gänge, fegt beschwingt durch Türen, setzt sich, blickt sich um, spielt ein Spiel im Spiel. Das Hotelzimmer wird so zu einer realen Entsprechung des artifiziellen und unpersönlichen Charakters so vieler Räume in Computerspielen. Das Interieur ist ein Display für Hinweise und Werkzeuge, alle Einzelheiten können von Bedeutung, können Handlungsanweisung sein. Möbel, Spiegel, Spielkonsolen, Energydrinks, Zettel oder eine Origami-Arbeit werden zum Hinweis für den Übergang zur nächsten Ebene. Aber dazu brauchen wir noch etwas, das in diesem Koffer ist.

Was für das Leben gilt, gibt es im Spiel letztendlich nicht: Die Unausweichlichkeit, die Unerbittlichkeit der Zeit. In jeder Art von Spiel  ist diese Flucht aus eigener Zeit und eigenem Raum. Und während der gespielte Film den Fluchtweg vorgezeichnet hat, hält das Computerspiel zumindest Möglichkeiten offen, wie das Geschehen sich entwickeln mag. Die inszenierten Szenen in Silent Playground sind deshalb auch ein Rückfall in die filmische Direktive: Du sollst Dir nur dieses Bild machen. Der Gewinn ist: man nimmt die Strukturen von solchen Spielen deutlicher wahr - zeitliche, räumliche, kameratechnische. Susanne Weirichs Installation ist inszeniert als eine Differenzerfahrung, die oszilliert von der Nachahmung zur Persiflage, von der Reduktion zur Überhöhung.

Steven Poole nennt die Handlung von erzählenden Computerspielen in Ego-Perspektive "totally amnesiac": Weil mehrere Wege zu einem Ziel führen können, kann es später keine Referenz mehr geben auf etwas, das SpielerInnen möglicherweise nicht erlebt haben.

Das ist auch die Anmutung der Szenen in Susanne Weirichs Arbeit: mal ein déjà vu, mal eine surprise, keine Vergangenheit, vor sich nur das nächste Level, die nächste Szene, der nächste Schwenk, in denen die Geschichte weitergeht - oder der zeitliche Rücksprung, weil wir die wichtigsten Hinweise übersehen haben und der Gegner unser virtuelles Dasein jäh beendet.

Doch das ist nur der Anfang. Derselbe Raum, ein neues Leben.

Daniel Hermsdorf

(Katalogtext zur Ausstellung "Spielräume", Wilhelm Lehmbruck-Museum Duisburg, 2005